Beim obligatorischen Foto habe ich dann zudem mein Objektiv vorerst ramponiert (es fuhr nicht mehr raus oder rein, nachdem es von der Bank fiel), konnte es aber mit der russischen Methode wieder instandsetzen (ich schlug jede Seite mit Wucht gegen ebenjene Bank und schon funktionierte alles wieder). Nach diesem aufregenden Ereignis war ein kurzes Sonnenbad eine dankbare Erholung und ließ mich die Zeit bis zur notwendigen Fortsetzung des Aufstiegs entspannt genießen.
Gemeinsam mit einigen netten Leuten unbestimmter Herkunft (sprachen sehr gut Englisch, haben untereinander aber eine mir unbekannte Sprache benutzt; Finnen?) zog ich dann wieder los, die letzten 300 Höhenmeter absolvieren, denn leider konnte ich keine Gipfelerlaubnis mehr ergattern – die sind bis Mitte Januar schon vergeben, aber dazu komme ich noch.
Tatsächlich konnte ich die Jungs und Mädels auf halbem Weg hinter mir zurücklassen, obwohl ich selbst schon alles doppelt sah, aber es war wirklich an der Zeit, oben anzukommen. Nachdem ich noch einen sehr netten Wanderer aus Sachsen schwungvoll vorbeiziehen lassen durfte, waren auch mir Minuten später erst der ultimative Adrenalinstoß und dann die frustrierte Ernüchterung vergönnt.
Adrenalin deshalb, weil ich endlich da war, auf dem Plateau, welches durch ein kleines Wegenetz verknüpft auch ohne Gipfel Blicke in nahezu alle Richtungen zuließ und so für Freude und Staunen sorgte. Und natürlich, weil ich tatsächlich angekommen bin. Vielleicht fühlt sich so ein Tor vor 80000 Zuschauern an. Wirklich toll, euphorisiert und aller Schmerzen ledig (die sich dann unten auf dem Weg zurück zum Auto wieder meldeten).
Aber Frustration? Na klar, da ist man 4:14 Stunden gewandert, hat 1200 Höhenmeter in dünner werdender Luft hinter sich und wird auf dem Plateau von Flipflop-, Espandrilla- und Sandalen-Trägern weggedrängt, schräg angeschaut und fast über den Haufen gerannt. Ich habe Verständnis dafür, dass nicht jeder diesen Weg gehen kann und mit der Seilbahn hinauf fährt, aber gegenseitige Rücksichtnahme wäre echt toll.
Und, noch frustrierender für mich, ich habe kein Verständnis dafür, dass diese Kurzrock-FlipFlop-Fotojunkies mir und anderen Wanderern die Permits für den Gipfel wegschnappen und somit nach ihrer 8-Minuten-Gondelfahrt die letzten 200 Meter nach oben kraxeln, um dieses unfassbar schöne Erlebnis auf der Spitze von Spaniens höchstem Berg zu haben.
Dieses Gefühl sollte den Wanderern vorbehalten sein, die diese Strapazen tatsächlich auf sich nehmen. Oder zumindest sollte man so 50-70% der Permits erst im Refugio de Altavista vergeben, denn da kommen ausschließlich Wanderer vorbei. Ich fand es äußerst enttäuschend, schon zu Urlaubsantritt keinen einzigen Slot mehr ergattern zu können, wohlgemerkt für 12 Reisetage! Vielleicht sollte man Geld verlangen (die Permits sind kostenlos, prinzipiell eine super Sache) oder Strafen vergeben, wenn sie verfallen. Denn viele Leute registrieren sich, erscheinen dann aber nicht; dennoch gibt es dann keine Chance, quasi als Ersatz einzuspringen – das hatte ich heute extra erfragt.
So wurde das in Summe ekstatische Gefühl etwas getrübt, auch wenn ich über die Seilbahn im Großen und Ganzen natürlich selbst froh war, denn einen Abstieg hätte ich heute vermutlich nicht mehr heil überstanden. Dennoch würde ich mich freuen, wenn die Inselregierung hier ihr Vorgehen nochmal überdenkt, denn was gibt es für einen Wanderer schöneres, als nach all diesen Strapazen tatsächlich auf dem Gipfel zu stehen, und mit dem Bewusstsein ins weite Rund zu blicken, dies mit den eigenen Füßen erklommen zu haben?
Und auch wenn ich weiß, dass andere diesen Aufstieg quasi als Spaziergang ansehen: Für mich war das eine enorme Herausforderung, die gemeistert zu haben mich ein wenig mit dem stolzen Gefühl erfüllt, Vorhaben wirklich umsetzen zu können. Das allein war ein toller Lohn.