Die Gestaltung des Besuchs im Inneren der Gefängnismauern gehört mit zum Besten, was ich jemals in einem historischen Museum erleben dufte. Nach Durchschreiten der Ankunfts- und Wäschekammer, die einen Einblick in die beklemmende Atmosphäre lieferte, derer die Neuankömmlinge ausgesetzt waren und der sie sich vollkommen nackt stellen mussten, kam an an die Ausgabeschächte für die persönliche Erstausstattung. Entgegen der Gefangenen nahmen wir allerdings keine Bekleidung und Bettwäsche entgegen, sondern erhielten von einem Gefängniswärter einen Audioguide und eine Einführung in selbigen.
Obwohl ich diesen Geräten manchmal skeptisch entgegen blicke, setzte ich die Kopfhörer auf, stellte die deutsche Sprache ein und war sofort gefangen. Ein Sprecher, dessen Stimme herausragend gut in die Szenerie passt, dazu stimmige Sounduntermalung und eine leicht verständliche Führung zu den einzelnen Stationen, so dass man sich nicht gegenseitig in die Quere kam: Erstklassig. Selten war man so gefesselt von einer Erzählung und nie zuvor habe ich mich so tief in die Geschichte eines Ortes hineinziehen lassen.
Die Aktivitäten der berühmtesten Insassen in ihren Zellen wurden lebendig, die Dekoration mit echten Reliquien aus alter Zeit tat ihr übriges. Man konnte den Birdman förmlich malen sehen, meinte Zellennachbarn miteinander flüstern zu hören und erspähte nach einem kurzen Hinweis im Ohr die Einschusslöcher aus der Zeit des berühmtesten (und blutigsten) Aufstands von Alcatraz.
Im Innenhof, auf dem sich die Gefangenen je nach Verhalten zum Spazieren, Sport treiben und für kleinere Tauschgeschäfte aufhalten durften, wehte trotz eigentlich großartigem Wetter ein fürchterlich starker Wind, was erneut den Eindruck bestärkte, dass ein Aufenthalt auf The Rock alles andere als angenehm war. Auch der Essensbereich sorgte für Beklemmung, wenn man sich vorstellte, dass hier hunderte Schwerverbrecher auf engstem Raum mit Tabletts und rudimentärem Besteck zusammen saßen. Kein Wunder, dass die Wärter stets wachsam und gewaltbereit waren, hier ging es auch um ihr eigenes Leben.
Apropos Wachleute, deren Rückzugsorte waren zwar deutlich angenehmer als die Behausungen der Insassen, doch erscheint die Vorstellung, auf dieser Insel Dienst zu schieben, dennoch nicht sehr erquicklich. War das Büro des Direktors noch groß und mit einem erstklassigen Ausblick versehen, saßen die diensthabenden Wärter in kleinen Beschlägen und mussten tagtäglich mit neuen Konfrontationen rechnen, denen sie aufgrund der Lage von Alcatraz im schlechtesten Fall nicht entfliehen konnten.
Als die Führung endete, waren wir völlig fasziniert von diesem Ort, der im Fernsehen zwar bedrohlich, aber eben doch etwas inszeniert wirkt. Ist man allerdings die Gänge entlang geschritten, hat der wahren Geschichte von Alcatraz gelauscht und sich in die alten Zeiten hinein versetzt, merkte man schnell, dass die Wirklichkeit sogar noch bedrohlicher war. Eben kein Film, sondern harte Realität. Faszinierend, aber für die Protagonisten beängstigend, wenn nicht lebensbedrohlich oder gar todbringend.
Unternehmt ihr einen Trip nach San Francisco, solltet ihr einen Besuch auf "The Rock" nicht versäumen. Diese Besichtigung, inklusive einer schönen Fährfahrt, ist jeden Dollar wert.